Aus Berichte der Deutschen Chemischen Gesellschaft
Sitzung vom 17.Oktober 1921

Am 11. August (1921) starb Emil Knoevenagel.

Hr. P. Jacobson verliest den folgenden, von ihm verfaßten Nachruf:

Mitten aus eifrigster Arbeit wurde

Heinrich Emil Albert Knoevenagel (18.6.1865-11.8.1921)

EMIL, KNOEVENAGEL,

a.o. Professor an der Universität Heidelberg, durch den Tod gerissen. Er war zu Sitzungen nach Berlin gekommen und erkrankte dabei. Die Blinddarm-Operation, deren schleunige Vornahme ihm angeraten wurde, wollte er zunächst nicht zulassen. So wurde sie um einen Tag verschoben, und dieser Verzögerung ist es wohl zuzuschreiben, daß einige Tage darauf der Tod infolge von Bauchfell-Entzündung eintrat. In Knoevenagel, der ein Alter von nur 56 Jahren erreicht hat, verlieren wir einen rastlosen Forscher. Schon in jungen Jahren zog er die Aufmerksamkeit auf sich durch die schönen Synthesen von Cyclohexan- und Benzol-, auch Pyridin- Derivaten aus 1.5-Diketonen. Im Verlaufe dieser sehr ausgedehnten Untersuchungen machte er die für die synthetische Chemie überaus wichtig gewordene Entdeckung, daß Ammoniak, primäre oder sekundäre Amine als treffliche Katalysatoren für gewisse Kondensationsreaktionen wirken. Eine stattliche Reihe von Veröffentlichungen, die sich von 1892 bis in den Beginn des neuen Jahrhunderts zieht, gibt von den Anwendungen dieser Reaktionen Kunde. Dann folgte eine Zeit, in der er wenig von sich in den Zeitschriften hören ließ. Doch war nicht etwa Minderung seines Schaffenstriebes die Ursache hierfür. Er war in ein technisches Problem hineingeraten, das weitschichtige Arbeit erforderte: das Gebiet der Acetyl-cellulosen. Sowohl in rein chemischer wie in physikalischer Richtung durchforschte er es. Teils verhinderten ihn praktische Rücksichten an der Mitteilung seiner Ergebnisse, teils war es wissenschaftlicher Stolz, der ihm gebot, mit der Veröffentlichung bis zur Abrundung zu warten. Er hat sich durch diese Zurückhaltung geschadet. Vielfach wurde er für Berufungen genannt; aber stets sind ihm andere vorgezogen worden. So ist er zu einer leitenden Stellung nicht gelangt. Tragisch berührt es uns, daß der Tod ihn jetzt hinweggeführt hat, nachdem er fast die ganze Kriegszeit im Feld gestanden, alle Strapazen überwunden, nun gestählt dadurch die wissenschaftliche Arbeit mit Begeisterung wieder aufgenommen und gerade begonnen hatte, die lange aufgespeicherten Früchte seiner Arbeit darzubieten. Die letzten Nummern der "Kolloidchemischen Beihefte" bringen seine Untersuchungen über die "Natur der Quellungsvorgaenge"; auch unser letztes "Berichte"-Heft enthält eine Mitteilung von ihm über Anwendung von Jod als Katalysator zur Bereitung von Keton-anilen.

Knoevenagel war gebürtiger Hannoveraner. An der Universität seiner Heimatprovinz promovierte er 1889. Er wurde dann alsbald Assistent von Viktor Meyer, zog mit ihm von Göttingen nach Heidelberg, habilitierte sich dort 1892 und wurde 1896 zum Extraordinarius, später zum Abteilungsvorsteher ernannt. Den Studierenden des Heidelberger Universitäts-Laboratoriums ist seine Lehrtätigkeit in Vorlesungen und Übungen bis zuletzt zugute gekommen. Seine Erfahrungen beim anorganischen Unterricht legte er in einem "Praktikum des anorganischen Chemikers" nieder, das drei Auflagen erlebt hat.

Er war eine echt niedersächsische Natur in Treue, Rechtlichkeit und Zähigkeit, aber auch in der Eigenwilligkeit, mit der er an seinem Plan festhielt und Erwägung freundschaftlichen Ratschlages abwies. Doch stand diese Eigenwilligkeit durchaus nicht seiner Umgänglichkeit im Wege. Seine Freunde und Kollegen beklagen den Verlust eines liebenswürdigen, hochbegabten und grundehrlichen Mannes; seiner Gattin und zwei unerwachsenen hindern ist der treusorgende Hausvater genommen, der im Dienste der Arbeit und in der Fürsorge für sie aufging.