Heinrich Kiliani (1855 - 1945)Zu Beginn der 20. Jhdts. hat sich auch im Lehrstuhlgefüge unserer
Hochschule die Trennung in Anorganische und Organische Chemie vollzogen.
Direkte Nachfolger der Linie Erlenmeyer - v.Miller
werden im Laufe der nächsten Jahrzehnte Wilhelm Muthmann,
Wilhelm Manchot und Walter Hieber als Vertreter der
Anorganischen Chemie. Da Georg Cajetan Kaiser bereits kurz nach
der Gründung der TH München verstarb, blieben über einige Jahre hinweg nur
zwei ordentliche Professoren in der Chemischen Abteilung. Die seit dem Tod
von Kaiser unbesetzte Professur für Angewandte Chemie übernimmt
Heinrich Kiliani. Ein schönes Beispiel für die Denk- und Arbeitsweise dieser Zeit ist seine Einleitung zu einer Arbeit aus dem Münchener Laboratorium: "Ueber das Cyanhydrin der Lävulose. Während bei der Oxydation der Dextrose durch verdünnte Salpetersäure oder durch Halogene sehr leicht und in grosser Menge Verbindungen entstehen, deren Molekül noch sechs Kohlenstoffatome miteinander verkettet enthält, liefert die Lävulose unter gleichen Bedingungen Körper mit niedrigerem Kohlenstoffgehalte (Glycolsäure und inaktive Weinsäure). Die Oxydation veranlasst also hier sofort eine Spaltung des Moleküls, eine Thatsache, welche darauf hindeutet, dass die Lävulose ein Keton ist. Berücksichtigt man ferner die Thatsache, dass die Lävulose durch nascirenden Wasserstoff in Mannit verwandelt wird, also eine normale Kohlenstoffkette enthält, so kommt man zu dem Schlusse, dass der Lävulose eine der beiden folgenden Constitutionsformeln zugesprochen werden muss
Man durfte nun hoffen, die Richtigkeit der einen oder der anderen Formel sicher beweisen zu können, wenn es gelingen würde, an das Ketonradical der Lävulose Blausäure anzulagern und das gebildete Cyanhydrin in die entsprechende Carbonsäure umzuwandeln. Denn die aus der obigen Verbindung I entstehende Carbonsäure III musste bei möglichst weit getriebener Reduction durch concentrierte Jodwasserstoffsäure Methylbutylessigsäure, die aus II gebildete Carbonsäure dagegen unter gleichen Bedingungen Aethylpropylessigsäure IV liefern.
Von den beiden Heptylsäuren, deren Gewinnung und Identificirung
demnach das Endziel dieser Untersuchung bildet, ist die erstere, die
Methylbutylessigsäure, von Hecht eingehend untersucht und beschrieben
worden, während die zweite, die bisher nicht bekannte
Aethylpropylessigsäure, auf dem Wege der Acetessigestersynthese ohne
Schwierigkeit darstellbar sein müsste.[...]" |