Antwort von Prof. Dr. Karlheinz Seifert, Lehrstuhl
für Organische Chemie:
Die Schiffsche Probe ist eine Nachweisreaktion für Aldehyde.
Dabei wird zunächst eine rote Lösung von Fuchsinhydrochlorid oder
Pararosanilinhydrochlorid (1) durch Zugabe von
schwefliger Säure (Einleiten von Schwefel(IV)-oxid) entfärbt. Wenn
zu dieser Lösung beispielsweise Ethanal zugefügt wird, färbt sie
sich blaurot, was auf das mesomeriestabilisierte Kation
6 zurückzuführen ist. Aus Pararosanilinhydrochlorid
(1) entsteht durch Reaktion mit schwefliger Säure die
farblose Pararosanilinleukosulfonsäure (2). Ethanal
reagiert mit 2 über das Carbinolamin 3
zum Diimin 4. Addition von 2 Molekülen schwefliger
Säure liefert 5, aus dem sehr leicht das Kation
6 gebildet wird.

Abb. 1:
Mechanismus der Schiff-Reaktion

Abb. 2: Sulfonierung von Ethanal
In Konkurrenz zu dieser Reaktion steht die Sulfonierung des
Alkanals, die das Carbonylkohlenstoffatom blockiert, so dass eine
Reaktion im Sinne der Schiffschen Probe nicht mehr möglich ist
(Abb.2 und 3 ).

Abb 3: Sulfonierung von Glucose
Warum nun viele Alkanale trotzdem mit der Schiffschen Probe
nachweisbar sind, hängt mit der Reaktionskinetik und -thermodynamik
zusammen. Die Aminogruppen der Pararosanilinleukosulfonsäure
(2) reagieren in einer kinetisch kontrollierten
Umsetzung zum Carbinolamin 3 und Diimin
4, wohingegen die Bisulfitadditionsverbindungen
7 und 8 die thermodynamisch
kontrollierten Produkte sind.
Der Grund für das Ausbleiben der Schiff-Reaktion bei Glucose
könnte in der bevorzugten Bisulfitaddition bestehen.