Berichte der Deutschen Chemischen Gesellschaft, Jahrgang V
(1872), S. 125-131
Professor der Chemie in Würzburg.
Noch sind die Wunden nicht verharrscht, welche der Hochschule Würzburg durch das am 17. Februar 1869 erfolgte Ableben des ordentlichen Professors der Chemie, Joseph von Scherer, geschlagen worden, (1) und schon wieder liegt mir die traurige Pflicht ob, den Mitgliedern der Deutschen Chemischen Gesellschaft in Berlin von dem am 7. November laufenden Jahres unerwartet schnell eingetretenen Tode des Amtsnachfolgers Scherer's, des edlen und hochbegabten Adolph Strecker, Kenntniss zu geben und dem Andenken des uns Entrissenen einige Worte der Erinnerung so weihen.
Adolph Strecker wurde am 21. October 1822 in Darmstadt - der Vaterstadt so vieler ausgezeichneter Chemiker - geboren als vierter Sohn des Grossherzoglich Hessischen Archivrathes und Ehrenbürgers der Stadt Darmstadt, Ludwig Strecker. Er besuchte acht Jahre lang das Gymnasium seiner Vaterstadt und trat im April 1838 aus der obersten Klasse desselben in die höhere Gewerbeschule über, welcher er noch 2½ Jahre angehörte. Ostern 1840 bestand er mit gutem Erfolge die Maturitätsprüfung und bezog mit Beginn des Wintersemesters 1840 die Landes-Universität Giessen, um sich dem Studium der Naturwissenschaften, insbesondere dem der Chemie, für welche Wissenschaft er schon als Knabe eine grosse Vorliebe an den Tag gelegt, zu widmen. In Giessen blieb Str. bis zum Schlusse des Sommersemesters 1842. Er besuchte daselbst Liebig's Laboratorium und hörte neben des grossen Meisters Vorlesungen. über unorganische <126> und organische Chemie, noch Collegien bei H. Kopp, Buff und Fr. Knapp.
Nachdem Strecker am 22. August 1842 in Giessen als Doctor der Philosophie promovirt, wurde er, noch nicht zwanzig Jahr alt, als Lehrer an der Realschule zu Darmstadt angestellt, wo er an den beiden oberen Cursen Physik, Mathematik, Botanik and Mineralogie vorzutragen hatte.
Im Mai bot ihm Professor Liebig in Giessen die Stelle eines Vorlesungsassistenten an. Strecker zog es jedoch vor, vorläufig noch in der ihm liebgewordenen Stellung in Darmstadt zu verbleiben, und erst im März 1846, als von Liebig der höchst ehrenvolle Ruf an ihn erging, als Privatassistent in das Liebig'sche Laboratorium einzutreten, übersiedelte er nach Giessen, um von nun an alle seine Kräfte unter des grossen Lehrers Führung ausschliesslich dem Ausbau der Chemie zu widmen. Es war ihm von diesem Augenblicke an, bis zu seinem, ach! nur allzufrüh erfolgten Tode, vergönnt, mehr als die meisten seiner Zeit- und Fachgenossen, schöpferisch in die Entwicklung der Chemie einzugreifen und fünf Lustren hindurch Arbeiten zu Tage zu fördern, durch welche sein Name für alle Zeiten in das grosse Buch der Geschichte der Naturwissenschaften in unvergänglichen Zügen eingetragen ist.
In der Stellung als Privatassistent Liebig's verblieb Strecker bis Ende 1848. Am 20. Januar 1849 erwarb er die facultas legendi und habilirte sich als Privatdocent der Chemie in der philosophischen Facultät seiner Landes-Universität.
In die Zeit seines Aufenthaltes in Giessen fallen zahlreiche und werthvolle Arbeiten, die ausnahmslos in den Annalen des Chemie und Pharmacie veröffentlicht wurden, an deren Redaction er jahrelang den regsten Antheil nahm. Eine seiner ersten Abhandlungen (1846) hatte die Bestimmung der Atomgewichte des Silbers und Kohlenstoffs zum Gegenstand, ihr folgten Untersuchungen über die Reaction der Milchsäure; über die von Barreswil vorgeschlagene Trennung des Kobalts vom Mangan; über die Zersetzung der Hippursäure durch Salpetersäure und Stickoxyd; über die gepaarten Verbindungen, wobei er das Mangelhafte der von Laurent and Gerhardt gegebenen Definition dieser Verbindungen hervorhob; über die Flechtensäuren und die in den Flechten enthaltenen Farbstoffe; über die Einwirkung des Stickoxydes auf Glycocoll; über die Trennung des Nickels und Kobalts von Mangan und die wahrhaft klassische Untersuchung über die Ochsengalle, an die sich eine 1847 gemeinschaftlich mit Gundelach ausgeführte Arbeit über die Schweinsgalle und die Gallen anderer Thiere anschloss.
Unter den vielen Arbeiten und Notizen aus den Jahren 1849 und 1850, die uns ein Bild von der aussergewöhnlichen und erfolg-<127>-reichen Thätigkeit des jungen Forschers geben, seien nur angeführt seine Untersuchungen über Styron und Styracin; über Tyrosin, über Nitromannit, Phloridsin; über die künstliche Bildung von Milchsäure und Alanin; über die Gewinnung und Analyse von Aschen, in welcher Arbeit er der von Heinrich Rose veröffentlichten Abhandlung über den gleichen Gegenstand, wenn auch bescheiden, doch furchtlos und nur von dem Streben nach Wahrheit beseelt, entgegentrat. In die gleiche Epoche fällt die im Verein mit J. Wolff ausgeführte Untersuchung über die Farbstoffe der Krappwurzel, die für sich und im Zusammenhange mit den späteren Arbeiten Strecker's über des Alizarin, ohne alle Widerrede das erste Glied einer langen Kette bildet, deren Ende in den bewunderungswürdigen Arbeiten von Graebe und Liebermann, über die künstliche Darstellung des Alizarin's und Anthracens, zu suchen ist.
Obgleich in Giessen in angenehmen Verhältnissen und in einem Kreise gleichgesinnter und gleichstrebende Männer lebend, von denen gegenwärtig ein guter Theil auf dem Katheder und in der chemischen Fabrik die ehrenvollste Stellung einnimmt, lag es doch in des Natur der. Verhältnisse, dass Strecker's Wirkungskreis in der Universitätsstadt an der Lahn ein eng begrenzter bleiben musste. Er richtete daher seine Augen auf Berlin, um dort seine Docentenlaufbahn fortzusetzen.
Durch den Tod des Professors der Chemie, R. F. Marchand in Halle (2. August 1850), und die erfolgte Berufung des Docenten W. Heintz in Berlin als Marchand's Nachfolger, zeigte sich in Berlin eine überaus günstige Gelegenheit zur Gründung eines grösseren Laboratoriums. Schon waren die Unterhandlungen über den Ankauf des Heintz'schen Laboratoriums im Gangs, schon waren Strecker's Präparate nach Berlin gesandt und er harrte nur noch der Bestimmung des Tages für ein Colloquium von Seiten des Dekanates der philosophischen Facultät, da vernahm Strecker, dass die Professur der Chemie an der Universität in Christiania erledigt and in öffentlichen Blättern ausgeschrieben sei. Er bewarb sich um dieselbe, und die norwegische Regierung, von der eminenten Begabung des Bewerbers als Forscher, wie als Lehrer und Laboratoriumsvorstand unterrichtet, beeilte sich, für die erledigte Professur unseren Strecker zu berufen. Sein norwegisches Anstellungs-Dekret datirt vom 31. Juni 1851.
Nachdem er im Spätsommer 1861 London und die allgemeine Industrieausstellung im Krystallpalast des Hydeparks besucht, erfolgte seine Uebersiedelung an die nordische Hochschule. In Christiania fungirte er zugleich als Lehrer der Chemie an der Militärschule, in welcher Offiziere für Artillerie und Geniewesen herangebildet werden. Sein neun Jahre dauernder Aufenthalt in Norwegen wurde durch alljährlich wiederholte Reisen nach dem geliebten Deutschland und an-<128>-deren Ländern unterbrochen. Am 3. Juli 1852 verheirathete er sich in Giessen mit Fräulein Weber aus Darmstadt. Die glückliche Ehe war nur von kurzer Dauer; die Gattin starb am 13. October 1853, nachdem sie ihm kurz vorher ein Töchterchen geboren.
Im Jahre 1854 besuchte Strecker seine Heimath and verweilte längere Zeit zur Besichtigung der deutschen Industrieausstellung in München, bei welcher Gelegenheit es mir vergönnt war, im Hause Professor Liebig's und den daselbst stattgefundenen Soiréen unseren Strecker kennen zu lernen. Ian Sommer 1855 verweilte er in Paris und auf der internationalen Ausstellung auf den champs élysées. Am 29. September 1855 verheirathete er sich zum zweiten Male in Mosbach bei Biebrich a. Rh., mit seiner Cousins, Fräulein Lina Strecker aus Mainz. Aus dieser überaus glücklichen Ehe entsprangen zwei Töchter und ein Sohn.
Seine Lehrthätigkeit in Christians war eine ungemein vielseitige und fruchtbringende. Sein Sprachtalent und seine leichte Auffassungsgabe gestatteten ihm, bei seinen Lehrvorträgen nach kurzer Zeit sich schon der norwegischen Sprache in geläufigster Form zu bedienen. Mit seinem Eifer im Lehren ging seine schriftstellerische Thätigkeit parallel. Seine Bearbeitung des V. Regnault'schen Lehrbuches der Chemie, von welcher die erste Auflage in Giessen im Jahre 1851 veröffentlicht wurde, ist ja in vielen Auflagen bis auf die neueste Zeit eines der verbreitetsten und beliebtesten Lehrbücher der Chemie, das unzählige Studirende in den Tempel des Wissenschaft eingeführt und darin heimisch gemacht hat. Die grosse Popularität des Namens Strecker, allüberall auf der Erdoberfläche, wo deutsche Wissenschaft eine Stätte gefunden, ist sicherlich nicht zum geringsten Theile seinem Lehrbuche zuzuschreiben!
Während seines Aufenthaltes in Skandinavien bereicherte Strecker die Wissenschaft mit den werthvollsten Arbeiten, von denen ein Theil in einer besonderen Brochüre unter dem Titel: ,,Das chemische Laboratorium der Universität Christiania, 1854“ veröffentlicht wurde. Von den vielen Untersuchungen aus der norwegischen Zeit, von denen einige für sich betrachtet schon genügend gewesen wären, um Strecker's Namen den besten in der Chemie für alle Zeiten beizugesellen, seien als die bedeutungsvollsten hervorgehoben die herrlichen Arbeiten über die künstliche Darstellung des Taurins, über die Verbindungen des Quecksilbers mit Aethyl und mit Methyl, über Milchsäure und Benzomilchsäure, über Propionsäure über Hydrocyanaldin, über Zersetzung des Brucins mit Salpetersäure und über die Galläpfelgerbsäure, deren Glycosidnatur er zuerst nachwies. In Beziehung auf die zuletzt angeführte Arbeit über die Gerbsäure, bei welcher Strecker's Ansichten mit denen vieler anderer Chemiker nicht im Einklang waren, kann und darf ich die Bemerkung nicht <129> unterdrücken, dass Strecker wenige Wochen vor seinem Tode (es war am 27. September 1871) mir gegenüber seine im Jahre 1854 ausgesprochenen Ansichten über die Constitution des Gerbsäure lebhaft vertat und, insbesondere angeregt durch eine in des jüngsten Zeit von P. Griessmayer veröffentlichte Arbeit über die Einwirkung von Jod auf Gerbsäure, die Wiederaufnahme der Untersuchung beabsichtigte.
Aus den letzten Jahren (1856 - 1860) seines Wirkens in Christiania stammen die Arbeiten über eine neue Base (Sarkin) aus der Fleischflüssigkeit; über das Acetamid; über die Identität der Nitrosalicylsäure und Anilotinsäure; über die Zusammensetzung der Stibäthylverbindungen und der Zinnäthylradikale; über die Verwandelung der Fleischmilchsäure in gewöhnliche Milchsäure; über die Spaltung des Piperins mit Kali; über das Arbutin und seine Verbindungen; über die Verwandelung des Guanins in Xanthin; über die Zersetzung des Alloxans durch Einwirkung der Cyanüre, und in Gemeinschaft mit Möller, über die Vulpinsäure. Mehrere Untersuchungen, wie die über die Gerbsäure, sowie eine Analyse des Schwefelwassers von Sandefjord sind unter Mitwirkung seines Bruders Hermann Strecker (gegenwärtig Chemiker und Vorstand des analytischen Laboratoriums in der Fabrik der Herren Meister, Lucius und Brüning zu Höchst a. M.), der längere Zeit ihm in Christiania assistirte, ausgeführt.
Angesichts solch’ eminenter Erfolge auf dem Gebiete der Forschung, durfte es nicht wundernehmen, wenn deutsche und andere Hochschulen bei eingetretenen Erledigungen ihre Augen in erster Linie auf unseren Strecker wandten. Er widerstand indessen lange Zeit tapfer allen Verlockungen und selbst die ehrenvollsten Rufe, unter denen nur die nach Zürich, Greifswald und Gent namentlich bezeichnet sein mögen, vermochten nicht, ihm de liebgewonnenen Stellung in Christiania zu entziehen. Der König von Norwegen ernannte ihn zum Ritter des St. Olaf-Ordens.
Schon glaubte Strecker fortan unbehelligt seine Forscher- und Lehrerthätigkeit in Christiania fortsetzen so können, da kam nach dem Ableben des Tübinger Professors der Chemie, Christian Gottlob Gmelin, von der schwäbischen Hochschule her ein warmer Ruf, dem Strecker, der Süddeutsche und Deutschgebliebene, nicht mehr zu widerstehen im Stands war. Er verliess 1860 den nordischen Boden, angeachtet dass eine Deputation des eben in Christiania tagenden Storthing ihn zum Bleiben bewegen wollte. Wie geschätzt und geliebt unser Strecker in Norwegen war, geht daraus hervor, dass zum unvergänglichen Andenken an sein segensreiches Wirken an der norwegischen Hochschule seine Marmorbüste in der Aula (oder dem chemischen Hörsaale?) der K. Universität aufgestellt wurde.
In die Zeit seines Aufenthaltes in Christiania fällt seine Ernennung <130> zum Doctor medicinae honoris causa von Seiten der Universität Greifswald.
An der Hochschule Tübingen, an welcher er bis Ostern 1870 wirkte, gehörte Strecker zu den geachtetsten Lehrern. Es wurde dort unermüdlich fort gearbeitet. Unter den zahlreichen, im Tübinger Laboratorium ausgeführten Untersuchungen, seien als einige der bedeutenderen namentlich genannt die umfangreiche Arbeit über eine neue Classe organischer Verbindungen (Azobenzoësäure, Hydrazobenzoësäure, Azoanisinsäure), über Alloxan, über die Zusammensetzung der aus Aldehyd-Ammoniak und Blausäure entstehenden Base; über Valeral-Ammoniak; über die Spaltung der Piperinsäure durch Kalihydrat; über die Beziehungen zwischen Guanin, Xanthim, Theobromin, Caffeïn and Caffeïdin; über Umwandelung der Parabansäure in Cholestrophan, über die Synthese des Glycocyamins u. s. w. Viele andere Arbeiten sind gemeinschaftlich mit jüngeren Forschern, wie W. Städel, Hallwachs u. A. veröffentlicht worden.
Unheilvoll, ja vielleicht den Keim seines frühen Totes in sich tragend, war eine im Jahre 1865 ausgeführte Untersuchung von ihm über die Salze des sogenannten Thalliumsuperoxydes. Die Einwirkung flüssiger Thalliumverbindungen, der Strecker während dieser Arbeit längere Zeit ausgesetzt war, übte den nachtheiligsten Einfluss auf die bis dahin kernfeste Gesundheit unseres Freundes. Seine Nase und seine Augen waren auf das heftigste angegriffen und Strecker war sehr leidend! Ein Aufenthalt in Schwalbach und die Seebäder von Norderney gaben ihm allmählich seine Gesundheit wieder. Während seine Krankheit - 1865 - liess Strecker, nachdem er kurz vorher die heute noch adoptirte Formel des Alizarins gefunden hatte, über die künstliche Darstellung des Alizarins aus Anthracon arbeiten; die Präliminarversuche scheiterten jedoch an der Schwierigkeit, ein anthracenreiches Rohproduct zu erhalten.
Während seines Aufenthaltes in Tübingen verlieh ihm der Kaiser von Russland den St. Annenorden 3. Klasse.
Nach dem im Februar 1889 erfolgten Ableben des Vertreters der Chemie an des k. bayerischen Universität Würzburg, wurde Strecker von dem Senate genannter Hochschule dem k. Unterrichtsminister als Nachfolger v. Scheres's in Vorschlag gebracht. Die eingeleiteten Verhandlungen waren mit Erfolg gekrönt und im April 1870 übernahm Strecker das neu erbaute chemische Institut auf der Maxstrasse in Würzburg. Mit frischem Muthe begann er mit dem Sommersemester in den prächtigen Räumen des Neubaues seine Lehrthätigkeit, der nur ach! allzubald sein Sterbehaus werden sollte.
Kaum war Strecker in den neuen Verhältnissen heimisch geworden, da unterbrach der plötzlich ausgebrochene Krieg mit Frankreich das unter günstigen Auspicien und im tiefsten Frieden begonnene <131> Semester. Die studirende Jugend eilte zu den Fahnen und die Hörsäle und Arbeitsräume des Universitäten verödeten. Auch die beiden Assistenten Strecker's traten als Offiziere in die Armee und die Arbeit ruhte. ,,Inter arma silent musas“.
Als der einst in öden Tagen vom grossen und freien Deutschland geträumte Traum verwirklicht worden und der Friede den Völkern und die Musse der Wissenschaft zurückgegeben war, da trat Strecker, der die gewaltige Zeit, in der wir leben, mit Hochgefühl und Freude durchlebt, sein letztes Semester an!
Im Sommer 1871 veröffentlichte er noch in den Annalen der Chemie und Pharmavie eine Reihe von Arbeiten, die unter seinen Augen in dem chemischen Laboratorium zu Würzburg ausgeführt worden waren; er gab ferner (am 12. Juni 1871) die erste Lieferung des Jahresberichts der Chemie für 1869 heraus, der unter Strecker’s Redaction seit einigen Jahren erschien; die letzte wissenschaftliche Notiz von ihm findet sich in No. 14 dieser Berichte (IV. S. 784) und bezieht sich auf eine Arbeit Peter Römer's, über das Verhalten einiger Diasoverbindungen gegen schwefligsaure Alkalien. Einige unvollendet gebliebene Arbeiten beabsichtigt sein Assistent und Mitarbeiter, Dr. Ludwig Medicus, fortzusetzen. -
Nach beendigtem Sommersemester nahm er mit seiner Familie einen längeren Aufenthalt in den baierischen Alpen, um in dem lieblichen Berchtesgaden sich zu erholen. Er kehrte im September, bereits etwas leidend, zurück. Ein Ausflug im Monat October nach seiner Vaterstadt Darmstadt - er war gerade dort während des Theaterbrandes - und zu seinen Freunden in Höchst a. M., war seine letzte irdische Reise!
Den Abend des 27. October's verbrachte er noch in gewohnter Weise im Freundeskreise, gesprächig und heiter, wenige Tag. nachher legte er sich und ein bereits seit längerer Zeit an unserm unvergeßlichen Strecker nagendes Nierenübel, welches die kräftige Natur monatelang zu überwinden vermochte, verzehrte mit unwiderstehlicher Gewalt die Lebenskraft unseres theuren Freundes. Am 7. November, Morgens gegen 8 Uhr, entschlief er sanft zu einem besseren Leben.
Am 9. November wollte Strecker in der Nachmittagsstunde seine Vorlesung über Experimentalchemie beginnen, zu derselben Stunde fuhren sie ihn hinaus – zur letzten Ruhestätte! Seine Bahre war geschmückt mit einer Lorbeerkrone, die seine Münchener Freunde, v. Liebig, Erlenmeyer, Volhard und J. Lehmann, als letzten Liebesgruss ihm gesandt. Ehre seinem Andenken, Friede seiner Asche!
Würzburg, den 6. December 1871.
Rudolf Wagner.
(1) Vergl. diese Berichte II. S. 108.